Marktwirtschaft, sozial oder doch anders?

  • Ich meine, wir driften schon wieder ab vom eigentlichen Thema: "...sozial oder anders"

    Um es vorweg zu nehmen: wir leben in einer asozialen Marktwirtschaft.


    Diese Republik hat mir mein ganzes Leben mehr als 50% Einkommensteuer abgenommen, die hab ich auch ohne Murren gezahlt weil ich alle Gegenleistungen dafür gern in Anspruch genommen habe: top Straßen und Autobahnen, Freibäder und Hallenbäder selbst in kleinsten Städten, Hausarzt um die Ecke und auf Zuruf mit Hausbesuch (falls mal erforderlich), Preise für die Energieversorgung, die sich heute niemand nur annähern vorstellen kann, an jeder Ecke ein Kiosk und ein Tante Emma-Laden, Metzger, Schuhmacher

    mit Schuhgeschäft, Bushaltestelle für die Schulkinder ums Eck und Arbeiter und Angestellte mit staatlicher Rentenversicherung, die ihren Lebensabend genießen konnten ....für unsere Enkel wie aus dem Märchenbuch.

    Und heute? Das weiß jeder selbst: kaputte Straßen mit einsturzgefährdeten Brücken, Autobahnen für ein Fahrzeugaufkommen von 1960, zugewachsene ehemalige Freibäder und Hallenbadruinen, Hausärzte mit Wartezeiten über Wochen und Monate, Hausbesuche nur über Tel. 112 , Kiosk in der Tankstelle mit Vollsortiment an plastikverpacktem Industriefutter, Bushaltestelle nur mit dem Taxi erreichbar und Rentner, die in den Tafeln anstehen nach Lebensmitteln und nach Zahlung der Miete mit Nebenkosten nur noch auf dem Klappstuhl vor der Haustür auf das Ende warten.

    Und wo bleibt die ganze Kohle aus den sprudelnden Einnahmen aus dem asozialen Steuersystem???

    Sie wird großzügig weltweit verteilt, Abermillionen werden verballert für Gutachten aus ministeriellem Auftrag....und nun kommt er wieder, mein Brechreiz.


    "Die Expropriierten wählen ihre Expropriateure wieder und wieder" ...hat Karl Marx geschrieben. Wie Recht er doch hatte: das sitzt die Schnullerbacke aus dem Sauerland schon wieder in der ersten Reihe im Bundestag (seine bei BlackRock kassierten Millionen sorgen stets für Maßanzug und Karibikbräune) und faselt was von Demokratie im Sozialstaat.

  • Wie machen das denn andere Ländern wo dieser intensive Lobbyismus verboten ist?

    Hallo Manfred, oftmals werden diese Länder schlechtere Entscheidungen fällen und haben hinterher mehr Korrekturbedarf.


    Ferner findet dann der Lobbyismus im Verborgenen statt und kann noch weniger kontrolliert werden. Die Interessengruppen werden dann eben andere Wege finden, ihre Themen bei den Entscheidern zu platzieren. Dies entzieht sich dann aber der öffentlichen Transparenz. Nicht zuletzt deshalb gibt es in diesen Ländern viel mehr Probleme mit Korruption. Es gilt der alte Spruch "Wasser findet seinen Weg" ...

    Aber dafür gibt es spezialisierte Ausschüsse und bspw. den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages der diese Lücken neutral schließen soll.

    Auch die sind ja auf Fachwissen von außerhalb angewiesen. Meistens wird jemand nicht deshalb Ausschussvorsitzender oder in einen Ausschuss delegiert, weil er/sie das beste Wissen zu dem Thema hat, sondern hier greifen die politischen Seilschaften und so wird den verdienten Parteimitgliedern der einflussreiche Posten vermittelt, unabhängig davon, ob sie dafür wirklich gut qualifiziert sind. Dann wiederum benötigen diese Politiker "Berater" von außen.


    M.E. wird ein Verbot der Lobby-Tätigkeit die Beeinflussung nicht verhindern, sondern nur in Bahnen lenken, die für die Öffentlichkeit völlig intransparent ist. Da ist es schon besser, das zumindest in Teilen kontrollieren zu können. Die Beratung an sich ist ja auch hilfreich, nur der Missbrauch eben nicht. Daher fehlt es an wirksamer Sanktionierung der Lobby-Tätigkeiten, die Politiker korrumpieren könnten. in dieser Hinsicht sind andere Staaten teilweise weiter., wie man ja auch in der Datei sehen, kann, die du oben angehängt hast.


    Also am Ende ist es eine Abwägung verschiedener Aspekte. Wie so oft ist die Sache an sich sinnvoll aber die missbräuchliche Anwendung muss natürlich bekämpft werden.


    VG, Thomas

  • Thomas,

    mag ja alles sein, aber das vehemente Ablehnen von Sanktionen bei Mißbrauch (für Wirtschaft und für Poltiker), gesetzlichen Regelungen, Grenzen des Lobbyismus spricht doch für sich!

    Die sachliche Aufklärung und Wissensbeschaffung scheint daher doch eher nebensächlich.

    Ein Verbot deshalb abzulehen weil es dann ja noch schwieriger wäre Mißbrauch zu erkennen verstehe ich nicht. Das wäre wie eine Teillegalisierung und Tolerierung von Mißständen um Straftaten zu vermeiden.

    Die einzig probate Mittel sind gesetzliche Reglungen und entsprechnd harte Sanktion.

    Und wie bereits geschrieben: ein Verbot für Politiker 5-8 Jahre nach Mandatsniederlegung eine honorierte Beratertätigkeit , Aufsichtsrat.- oder Vorstandsposten annehmen zu dürfen. Dafür sollen sie meinethalben - in Höhe ihrer vorherigen Bezüge - auf Steuerkosten so lange ausgeglichen werden. Die Kosten wären eher vernachlässigbar, aber der Effekt enorm.

    Grüße

    Manfred


    P.S. Der Weg ist das Ziel,

    allerdings sitzt man auch insgesamt viel zu selten am Meer.

  • Moin moin,

    die hier geführte Diskussion zum Thema Lobbyismus finde ich schon interessant, sie beleuchtet aber nur Teile der wirklichen Abläufe von Entscheidungsfindungen in der Politik. Das Bild von Lobbyisten, die mit gefüllten Geldtaschen losziehen und Entscheidungen "beeinflussen" ist leider nur Stammtischniveau (Einzelfälle korrupter Entscheider mal ausgenommen), die tatsächlichen Abläufe sind wesentlich diffiziler und leider auch wirksamer.


    Ich versuche das mal aufzubröseln.

    Ein Mensch hat aus welchen Beweggründen auch immer, ein bestimmtes politisches Ziel/Berufung/Idee etc., das er verwirklichen möchte. Da er dies natürlich als Einzelperson kaum schaffen kann, sucht er sich eine Partei die ihn dabei ggf. unterstützen kann und die ihn dann bei einer Wahl in ein Amt hievt.

    Jetzt beginnt aber erst die eigentliche Arbeit. Das Vorhaben muss in den politischen Gremien eine Mehrheit bekommen und dazu ist es zunächst notwendig, dieses möglichst wissenschaftlich zu begründen und evtl. auch bereits als Gesetz- und Verordnungsentwurf zu erarbeiten.


    Im einfachen Fall ist unser Mensch jetzt schon Minister, Staatssekretär, Präsident eines Amtes o.ä. und beauftragt den Verwaltungsapparat damit, die notwendigen Gutachten und Entwürfe zu erstellen. Falls er dies nicht ist, gibt es ja Parteifreunde dazu.

    Dies läuft dann in der Regel so ab, dass ein Ministerium eine nachgeordnete wissenschaftliche Oberbehörde (die gibt es nahezu zu jeder Themenstellung) damit beauftragt. Hier ist dann bereits die erste entscheidende Möglichkeit da, die Entscheidungsfindung zu beeinflussen.

    Ist die Behörde politisch stimmig aufgestellt, ist das Ergebnis vorhersehbar. Da aber "leider" in vielen Behörden auch noch Beamte/Ang. arbeiten, die aufgrund ihres Fachwissens u.U. nicht von dem Anliegen überzeugt sind und deswegen zu "falschen" Ergebnissen kommen, werden mit dem Argument einer gesicherteren, breiteren Meinungsbildung externe Gutachter/Institute etc. eingeschaltet.

    Deren handverlesene Auswahl sichert dann (für horrende Kosten) das gewünschte Ergebnis. Sollte dummerweise die Behörde dennoch auf ihrer Meinung bestehen, gibt es ja dann noch das Ministerium, das aus übergeordneter Sicht und angeborener Weisheit in einer Abwägung seiner Leitung das richtige Ergebnisse vorlegt. Nun ist es dann für die entsprechende Lobby (dies sind ja in der Regel Verbandsvertreter etc.), ein leichtes das Vorhaben zu unterstützen und es in einer wohlorchestrierten Kampagne in den Medien als absolut notwendige Maßnahme zu pushen und die sofortige Umsetzung als unabweisbare Notwendigkeit darzustellen.

    Die politische Entscheidung in den gesetzgebenden Gremien ist dann ein Selbstläufer.


    Vielleicht wir durch dieses Beispiel deutlich, dass die alleinige Betrachtung der Lobbyvertreter, die mit den Politikern beim Essen sitzen viel zu kurz greift. Viel größeren Einfluss auf die Entscheidungsfindung haben Thinktanks, Gutachterfirmen oder was auch immer, die politische Zielrichtungen verfolgen und diese in Aufträgen der Verwaltung platzieren können und die natürlich auch Hintergrundinformationen an die Medien liefern.

    (Und ich muss mich nach über 40jähriger Tätigkeit in oberen und obersten Bundesbehörden nicht mehr täglich über diese Dinge ärgern, sondern kann sie mir schmunzelnd auf außen ansehen.)


    Wünsche Euch eine schöne Adventszeit

  • Natürlich ist das oft nur die Anbahnung weiterführender Kontakte und Gespräche, Da sitzt niemand mit einem Sack voller Geld, Oft sind bei diesen Essen auch nur Abgeorndete die man einfach positiv stimmen will. Aber es werden "Freundschaften" angebahnt und irgendwann kommt dann auch das Topmanagment oder der Vorstand ins Spiel, da geht es dann weiter bis hin zur Karriere nach der Karriere. Das macht kein Lobbyist mehr. Das Instrumentarium hinter der Anbahnung ist sehr weit gefächert. Bis hin zur bezahlten "gesponserten" Stellen dort wo im ministeriellen Bereich/Behörden Mitarbeiter fehlen. Auch Gutachter sind Menschen die nicht selten vorher rausfinden wollen was man denn erwartet als Ergebnis (P.S: weil solche Gutachten auch häufig als Rechfertgiung für bestimmtes Handeln dienen oder erklären sollen) Selbst bei bei Studienergebnissen die für die Industrie wichtige Auswirkungen haben wird oft bis zu letzten Formulierung im Summary gefeilscht. übrigens ist die Seite Abgeordnetenwatch da auch über Stammtischniveau hinaus sehr informativ:

    Grüße

    Manfred


    P.S. Der Weg ist das Ziel,

    allerdings sitzt man auch insgesamt viel zu selten am Meer.