Hallo liebe LinerTreff-Gemeide,
einen großen Teil meines Berufslebens habe ich in Unternehmen verbracht, die u.a. für guten (und auch weniger guten) Kaffee bekannt sind. Da habe ich mir einiges an Wissen über dessen Verarbeitung, Qualität und den Genuss desselben angeeignet. Da wir hier offensichtlich viele Kaffee-Trinker unter uns haben, hier ein wenig Wissen über Kaffee-Qualität:
1. Der übliche, im Laden käufliche Kaffee ist (fast) immer eine Mischung (Blend) aus verschiedenen Bohnenarten. Ob Robusta- oder Arabica-Mischung ist nicht wirklich entscheidend, in aller Regel beinhalten gute und ausgewogene Kaffee´s ohnehin beide Arten der Bohnen. Auch mit dem früher als "billig" und wenig aromatisch angesehenen Robusta-Qualitäten lässt sich heute gut schmeckender Kaffee herstellen. Dennoch sind die Hochlandkaffees meistens immer noch Arabica und in der Grundanlage gehaltvoller und haben ein breiteres Aromaspektrum. Was aber gar nicht geht, sind Kaffee-Blends, die einen Anteil Karamell beinhalten, oft auch als "Melange" bezeichnet. Bei diesen zumeist auf günstigen Preis getrimmten Sorten wird ein Teil des Kaffee-Mehls durch karamellisierten Zucker ersetzt (jawohl ... Zucker!), was leicht erkennbar ein minderwertiger Rohstoff im Vergleich zum Kaffeemehl ist.
2. Die "reinrassigen" Kaffees, die nur aus einer einzigen Sorte Bohnen bestehen, schmecken zumeist nicht so gut, weil die Aromen-Zusammensetzung eben nicht so ausgewogen ist, wie man das bei den Mischungen macht. Solche Kaffees werden gerne von kleinen Kaffee-Boutiquen angeboten, bieten letztlich aber nicht das perfekte Genusserlebnis, das ein professionell hergestellter Blend ermöglicht. Also auch in den kleineren Geschäften würde ich immer die "Mischung" bevorzugen.
3. Der größte Feind von gut schmeckendem Kaffee ist Sauerstoff! Daher ist ein Kaffee, der aus frisch gemahlenen Bohnen hergestellt wird, fast immer allen anderen überlegen (bei gleichwertigen Mischungen). Deshalb ist der Filterkaffee theoretisch die beste Wahl, wenn es um Geschmack und Qualität geht ... aber ...
a) Dazu braucht man wirklich kochendes 100°C Grad heißes Wasser, um die Aromen aus dem Kaffee-Mehl zu lösen. Die handelsüblichen Filtermaschinen schaffen i.d.R. nicht mehr als 90°C (Billig-Maschinen sogar noch weniger) und dementsprechend schaffen sie es nicht, die wirklich guten Aromen alle in den Kaffee zu bekommen.
b) Am besten ist ein vorgewärmter Porzellan-Filter (nicht Goldfilter!) mit Handaufbrühung. Warum? Nun die Aromen benötigen etwas Zeit und Wärme, um sich aus dem Kaffee zu lösen und der Goldfilter kühlt zu schnell aus. Daher ist das richtige Verfahren: Wasser aufkochen lassen, das frisch gemahlene Kaffee-Mehl in das Filterpapier im vorgewärmten Porzellan-Filter (der hält im Gegensatz zu den Goldfiltern besser die Wärme) geben und dann das Kaffee-Mehl mit dem kochenden Wasser nässen (noch nicht durchlaufen lassen!), etwa 1-2 Minuten warten, damit sich die Aromen lösen können und dann zügig mit wirklich heißem Wasser den Kaffee durchlaufen lassen.
c) Den durchgelaufenen Kaffee möglichst vor Sauerstoffeinfluss schützen (optimal ist es, wenn der Kaffee aus dem Filter direkt in eine Thermoskanne läuft, die man nach dem Aufbrühen zumachen kann.
d) Wenn man Fertigmischungen statt ganzer Bohnen für den Kaffee verwendet, sollte man das Kaffeemehl nicht umfüllen, sondern in der (Alu)-Tüte lassen, sauber verschließen und im Kühlschrank aufbewahren.
e) Bei Vollautomaten sollte man am besten nur so viel Kaffee-Bohnen in die Maschine geben, wie man in kurzer Zeit konsumiert, denn auch Bohnen reagieren mit Sauerstoff, wenn auch nicht so direkt und schnell, wie gemahlener Kaffee. Außerdem sollte ein Vollautomat häufig gereinigt werden, denn die Kaffeereste "versauern" sehr schnell und beeinträchtigen dann den Geschmack des frische gebrühten Kaffees. Über längere Zeit ungereinigte Maschinen bergen darüber hinaus ein nicht unerhebliches Schimmel-Risiko.
4. Bei den Kapsel- und Pad-Systemen sollte man wegen dem Sauerstoffeinfluss auf jeden Fall ein System mit Alu-Kapseln verwenden. Plastik-Kapseln sind nicht Sauerstoff-dicht (manche sagen, da pfeift der Wind durch) und der Kaffee wird darin schnell sauer und die Aromen gehen verloren. Der Kaffee schmeckt dann säuerlich und aromatisch flach. Alu-Kapseln sind dagegen sauerstoffdicht, was der Haupt-Grund ist, warum z.B. Nespresso so eine Verpackung verwendet (es gibt auch Nespresso-kompatible Alu-Kapseln z.B. von Jacobs). Ein Alu-Kapsel-System kommt dem Handaufbrühverfahren am nächsten, es fehlt aber die Brühpause zur Aromalösung. Daher verwenden die Hersteller das Druckverfahren mit starken Kompressoren, was das weitgehend ausgleichen kann, da Aromen sich auch mit Druck aus dem Kaffee lösen lassen. Man kennt das auch von den hochwertigen Kaffeemaschinen, die man in guten Cafés sieht, die arbeiten zumeist auch mit sehr hohen Drücken und ohne Brühpause.
5. Ganz nachteilig sind Pads und m.E. die aromatechnisch nachteiligste Wahl. Das sind ja im Prinzip offene Netze, die den Sauerstoff direkt in den Kaffee einladen und m.E. daher nur geeignet, wenn man eine Packung frisch aufmacht und den Kaffee unmittelbar konsumiert. Die Packungen sind zumeist auch nur aus (nicht sauerstoffdichtem) Plastik und so nimmt der Kaffee bereits bei der Lagerung im Laden ersten Sauerstoff auf. Auch arbeiten diese Pad-Maschinen mit recht niedrigen Drücken und können so die Aromen nicht effektiv extrahieren. Falls man aber trotzdem Pads verwendet, sollten die auch so gelagert werden, wie fertig gemahlenes Kaffeemehl (s.o.).
6. Dann gibt es noch ein paar "Exoten" bei der Kaffee-Herstellung. Die Stempelkannen und die italienischen Espresso-Kocher. Erstere sind eher eine Frage des Lebensgefühls als eine Frage der Qualität und letztere arbeiten mit erhöhtem Druck, um die Aromen zu lösen - ähnlich den Kapselsystemen - kommen aber drucktechnisch nicht an die wirklich notwendigen Drücke heran, sind also ein Kompromiss.
So, ich hoffe, dass Euch dieser kleine Exkurs gefallen hat. Ich geh´mir jetzt erst mal einen leckeren Kaffee machen.
VG, Thomas