Hallo nochmal in die Runde der Stützenfans und -skeptiker.
Egal, wie es diese Werkstatt nun gemeint hat und ob sie tatsächlich nur mit Blick auf zukünftige Reparaturaufträge so antwortete, es gibt ja die unterschiedlichsten Aussagen, von "Profis", wie eben Werkstätten und Ausrüster, aber auch von Forumsmitgliedern, und ich hatte ja schon öfters geschrieben und versucht zu begründen, warum ein Berühren des Bodens aller Räder allein kein hinreichendes Merkmal für eine Beurteilung der Gefährdungslage ist. Mir liegt dies, weil ja die TM (Technische Mechanik) Teil meines Berufsfeldes war, irgendwie am Herzen, so dass ich gerne, vielleicht etwas anders formuliert, nochmal (letztmalig ) was dazu schreibe.
Sobald eine Stütze das Fahrzeug auch nur ein Stück weit anhebt, wird das Rad zwangsläufig sofort entlastet, die Federspannung geht stark zurück (insbesondere bei einer Luftfeder wegen der progressiven Kennlinie) und damit die über das Rad auf den Boden übertragene senkrechte Kraft. Das bedeutet, dass der größte Teil des Gewichtes durch die Stützen und nicht mehr die Räder getragen wird. Das ist ja auch, die entsprechend richtige Stütze mit ausreichender Stützkraft mal vorausgesetzt, Sinn der Sache (Niveauanhebung zwecks waagerechter Ausrichtung des Fahrzeugs sowie Stabilisierung des Fahrzeugs gegenüber Wankbewegungen) und keinesfalls bedenklich. Welcher (geringe, da Parallelschaltung von steifen Träger und Feder) Anteil der Gesamtstützlast noch über die Räder aufgenommen wird, hängt von der Federkennlinie und der Resteinfederung ab und geht schnell gegen Null, wenn das Rad kaum noch eingefedert ist. Der Unterschied zwischen "noch den Boden berührend" und "abgehoben" dürfte damit relativ unerheblich sein. Deshalb sind sicher viele Fahrzeuge, bei denen zwar noch formal alle Räder den Boden berühren, nicht viel anders zu bewerten, als wenn einzelne Räder dies nicht mehr tun würden. Das "leichte Nochberühren" des Bodens durch die Räder gibt dann mehr oder weniger nur ein gefühltes Plus an Sicherheit. Bei den metallischen Federungen gilt das immer. Bei manchen Luftfederanlagen kann man nach Ausrichtung mittels Stützen auch wieder entsprechende Druckluft in einzelne Bälge nachfüllen. Dies wäre dann auf alle Fälle hilfreich und würde die Verlagerung der Stützlast von den Rädern auf die Hydraulikstützen natürlich verringern, geht wohl aber bei den üblichen Standardlösungen nicht. Da wird, teils automatisch, die Luft vor dem Ausfahren der Stützen sinnvollerweise abgelassen, um das Fahrzeug möglichst niedrig zu positionieren. Nach Ausrichtung sind dann die Luftbälge mehr oder weniger drucklos.
Problematisch können für unsere "qualitativ nicht so ganz industriestandardmäßig" konstruierten Hydraulikzylinder Querbelastungen werden, weil dann die Kolbenstangenführungen infolge erhöhter Lochleibungsspannungen schnell verschleißen und es Dichtigkeitsprobleme und Geräusche geben kann. Auch für die konstruktiven Anbindungen an den Fahrzeugrahmen können Querbelastungen infolge dann auftretender räumlicher Spannungszustände in diesen Bauteilen (wenn nicht nur in senkrechter Richtung, also eindimensionale Belastung vorherrscht) problematisch werden (Problem der in geschilderten Fällen vorgekommenen Schrägstellungen der gesamten Stütze). Diese Querkräfte für die Stützen und die Rahmenanbindungen können dann auftreten, wenn das Fahrzeug nicht waagerecht und damit die Stützen nicht senkrecht stehen (das Fahrzeuggewicht, auch das der sich im Fahrzeug "normal" bewegenden Personen, wirkt stets senkrecht). Das bedeutet, es ist immer sinnvoll, wenn man die Stützen benutzt, das Fahrzeug bis in die Waagerechte zu heben. Falls das nicht gehen sollte, ohne dass alle Räder auf dem Boden bleiben, sollte man ganz auf Stützen verzichten oder eben auch ein Abheben einzelner Räder akzeptieren. Dies ist allemal (ohne starken Wind) besser, als längere Zeit auf Stützen schräg zu stehen.
Weiterhin können Querkräfte durch von außen eingeprägte Kräfte entstehen, beispielsweise Seitenkräfte durch starken Wind. Diese werden in etwa in dem Maße von Stützen und/oder Rädern auf den Boden übertragen, wie auch der Anteil der senkrechten Lasten, also das Gewicht des Fahrzeugs und der Personen darin, übertragen wird, beim Stand auf den Stützen mit Standardanlage somit vorrangig durch diese, auch wenn die Räder gerade noch den Boden berühren. Auf festem Untergrund gilt nur Coulomb, wonach die maximale Haftkraft in der Bodenberührung sich aus dem Produkt von Haftkoeffizienten und Normalkraft ergibt. Und selbst wenn der Haftkoeffizient der Paarung Gummi-Untergrund größer als der der Paarung Stahl-Untergrund ist, das Produkt geht gegen Null, wenn nur einer der beiden Faktoren gegen Null geht, hier die Normalkraft, also die senkrechte Stützlast des Rades, falls das Fahrzeug auf Stützen steht. Falls neben dem Kraftschluß (Haftung über Coulomb) noch Formschlußeffekte durch Einsinken in weichem Untergrund dazu kommen, können sich die Verhältnisse etwas ändern, wenn die Räder beispielsweise entsprechend eingesunken sind, die Stützenteller jedoch auf glatten Unterlegklötzen nicht.
Wenn man also die Stützen wirkungsvoll vor Querkräften schützen will, sollte man das Fahrzeug auf den Stützen stets waagerecht stellen, und falls das nicht geht, ganz auf Stützen verzichten und ggf. mit einer vorhandenen Luftfederung oder eben auch den klassischen Auffahrkeilen operieren. Und bei aufkommendem Starkwind, oder auch stark im Mobil tobendem Nachwuchs, der plötzlich aus der schnellen Bewegung heraus durch Kraftschluß auf dem Fußboden abbremst, wodurch signifikante waagerechte Beschleunigungs- hier quasi Verzögerungskräfte auf den Boden übertragen werden, sollte das Fahrzeug gar nicht auf Stützen stehen.
Bei der ganzen Sache ist natürlich immer die Beschaffenheit der Standfläche zu beachten, einmal wegen des ggf. zu starken Einsinkens durch das Fahrzeuggewicht (beispielsweise bei zu stark aufgeweichter Wiese) und der damit verbundenen Probleme beim Losfahren, aber auch wegen des ggf. gar nicht Einsinkens, d.h. keinerlei Formschlußeffekt, und dazu kommenden geringen Haftbeiwertes unter den Stützen (beispielsweise bei sehr glatten festen Fahrbahnbelägen) in Verbindung mit einer relativ großen Schräglage und der damit erhöhten Gefahr des Wegrutschens. Dann sollte man lieber auf den größeren Haftbeiwert Gummi-Fahrbahn vertrauen und die gebremsten Räder, aber mit ausreichender Last, sprich Normalkraft für die Auflage, auf dem Boden belassen. Also an dieser Achse ganz auf Stützen verzichten. Oder man verwendet formschlüssige Zusatzmittel, bspw. Unterlegkeile.
Allen einen schönen Sonntag noch und beste Grüße
Dieter